Autofahren im Alter: Ab wann muss man auf die Bremse treten?
Das Auto: Seit seiner Erfindung steht es für Freiheit schlechthin. Speziell die Generation der heutigen Rentner ist mit diesem Gefühl groß geworden. Mit dem Wirtschaftswunder kam die Kaufkraft für den eigenen, fahrbaren Untersatz. Mit dem zockelte man über die Alpen ins exotische Italien … das waren noch Zeiten! Raus aus dem beruflichen Trott und rein in die selbst gewählte Freizeit: Mit dem Auto kein Problem. Das bekommt man erst mit im Alter. Dabei hat man doch jetzt die Zeit zu reisen und gemütlich durch die Lande zu ziehen. Damit soll Schluss sein? Senioren empfinden den Führerschein wie ein Dokument ihrer Vollwertigkeit.Und so manch einer kann ohne Auto gar nicht alleine leben. Jeder Fall ist anders.
Inhalt
- Senioren am Steuer: Welche Schwierigkeiten können auftreten?
- Freiwillig die Fahrtüchtigkeit prüfen lassen?
- Was sagen Familie und Freunde?
- So gelingt der „Ausstieg“
Autofahren im Alter: Auf diese Einschränkungen achten
Körper und Wahrnehmung verändern sich im Alter. Vieles passiert mit der Zeit und man könnte sich darauf einstellen. Aber da liegt die Krux. Man lebt einfach damit. Wer als Senior Auto fährt, muss einige Fähigkeiten regelmäßig prüfen lassen.
Sehvermögen
Ab dem 40. Lebensjahr kann sich die klassische Altersweitsicht einstellen – im Nahbereich erkennt man die Dinge nicht mehr scharf. Die nachlassende Elastizität der Linse kann mit einer Lesebrille ausgeglichen werden.Der Tacho oder das Navigationsgerät im Auto sind wieder unter optischer Kontrolle.
Ab dem 70. Lebensjahr trübt sich die Linse ein.Das nennt man Grauer Star. Es entstehen Blendeffekte, das Bild wird verschwommen, Dinge in der Ferne scheinen unscharf, Farben werden nicht klar erkannt. Später kann sich Nachtblindheit entwickeln. Abhilfe schafft eine Operation, bei der die getrübte Linse durch ein künstliche ersetzt wird.
Es wird empfohlen, ab dem 50. Lebensjahr alle zwei Jahre und ab dem 60. Lebensjahr die Augen jährlich untersuchen zu lassen.
Hörvermögen
Bei Siebzigjährigen erhöht sich das Risiko der Schwerhörigkeit. Zwar orientieren wir uns als Autofahrer eher mit den Augen als mit den Ohren. Aber wer Signale wie Hupen oder Martinshorn nicht wahrnimmt, provoziert Gefahr. Man bekommt in der Gruppe nicht mehr genau mit, was gesprochen wird oder muss im Einzelgespräch nachfragen? Dann ab zum HNO-Arzt, die Ohren checken lassen und keine Scheu vor dem Hörgerät haben.
Beweglichkeit
Der berühmte Schulterblick … bei älteren Menschen ist er oft nicht mehr möglich. Die Muskulatur ist verkürzt oder Deformationen am Skelett schränken die Beweglichkeit ein. Neben den Bereichen von Kopf, Hals und Brust kommt es auf die Beweglichkeit der Arme, Hände und Beine an.Ist sie eingeschränkt, ist schnelles Handeln nicht möglich und Unfallsituationen drohen. Was hilft sind die optimale Einstellung des Fahrersitzes sowie konsequentes Mobilitätstraining.
Gehirn und Gedächtnis
Das Gehirn steuert die Körperfunktionen – es ist also zentral für die Koordination.Mit ihr wird auch das Autofahren ermöglicht. Sehr praktisch: Wer sich regelmäßig körperlich bewegt, trainiert auch das Gehirn. Neben der Koordination profitieren das Gedächtnis und die Konzentration. Da ist es sinnvoll, das Auto auch mal stehen zu lassen und den Einkauf zu Fuß zu erledigen. Übrigens ist sportliche Betätigung erst wirksam, wenn sie dreimal pro Woche erfolgt. Die WHO empfiehlt insgesamt 2,5 Stunden an körperlicher Aktivität pro Woche!
Das sind landläufig bekannte Alterserscheinungen, die das Fahren im Alter beeinflussen. Was ist mit Altersdepression? Oder fortschreitender multiple Sklerose? Die körperliche wie geistige Belastbarkeit sollte kritisch überprüft werden – in jedem Alter.
Fahreignungsprüfung – wo gibt es die?
Eine Fahrtüchtigkeitsprüfung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Ob der Senior oder die Seniorin noch in der Lage ist, das Automobil sicher und zuverlässig zu führen, liegt im eigenen Ermessen. Wem solch eine Prüfung Sicherheit gibt, der kann sich hierhin wenden:
- Fahrschule in der Nähe.
- Deutsche Verkehrswacht.
Es gibt spezielle Prüfungen und auch Auffrischungskurse für Senioren. Die sind allerdings kostenpflichtig. Bei der sogenannten Rückmeldefahrt wird die Seniorin oder der Senior im eigenen PKW von einem Fahrlehrer in verschiedenen Verkehrssituationen begleitet.
Die Bedenken von Familie und Freunden
Oma fährt im Dunkeln kein Auto mehr. Opa meidet die Stoßzeiten. Menschen, die den Senioren nah stehen, bemerken die Veränderungen im Fahrverhalten, denn die älteren Menschen passen sich den Gegebenheiten an.Die Sorge der jüngeren Generation wirkt auf die Senioren als Angriff. „Ihr meint wohl, ich gehöre zum alten Eisen“ – so oder ähnlich äußern sich ältere Menschen, die auf ihr verändertes Fahrverhalten angesprochen werden.
Wie bei anderen Themen, zum Beispiel vererben oder Patientenverfügung, ist das Thema Fahrtüchtigkeit sehr sensibel.Den Arzt einzuschalten, scheint schlau, ist aber nicht zielführend. Das macht nur Sinn, wenn die betroffene Person selber das Gespräch sucht. Ärzte unterliegen der Schweigepflicht. Familien müssen das Thema untereinander ausmachen.
Die Deutsche Seniorenliga gibt einen kostenlosen Ratgeber für alle raus, die sich Sorgen um Eltern oder Großeltern am Steuer machen.Die Broschüre „Offen gesagt“ hilft, das Gespräch richtig anzufangen. Und es werden Hinweise auf Fahrmängel gegeben, die bei der Argumentation unterstützen. Der respektvolle wie liebevolle Umgang lässt sich dadurch nicht ersetzen.
Die Broschüre „offen Gesagt“ gibt es hier:
Deutsche Seniorenliga, Heilbachstraße 32, 53123 Bonn
Den Führerschein abgeben – in Würde
Das Thema Senioren und Führerschein wird in der Gesellschaft so konträr und emotional diskutiert, dass es keinen koordinierten öffentlichen Ansatz gibt. Einige Gemeinden „belohnen“ die Abgabe des Führerscheins mit zeitlich begrenzter Freifahrt im ÖPNV. Der Erfolg ist mäßig.
Einige europäische Nachbarländer haben eine andere Kultur entwickelt. In Italien, Dänemark oder den Niederlanden ist es ganz natürlich ab einem bestimmten Alter zum „Fahr-TÜV“ zu gehen.
Wo es keine soziokulturelle Übereinkunft gibt, muss die Trennung vom Führerschein privat organisiert werden.Hier ein paar Ideen:
- Das Enkelkind macht den Führerschein und im gleichen Zug wird der PKW vererbt.
- Es gibt eine Vereinbarung, dass Kinder, Enkel oder Freunde mit der Seniorin oder dem Senior eine Fahrt unternimmt – Arzt, Einkaufen oder Ausflug. Daran müssen sich natürlich alle halten!
- Man unternimmt gemeinsam eine letzte Fahrt ans Lieblingsziel – ganz bewusst.
- Man legt ein Fotoalbum an. Da werden Erinnerungen gesammelt wie die erste Ferienfahrt und eine „Ahnengalerie“ aller Wagen. Zwischendurch tauchen kurze Berichte zu Ausflügen mit dem Auto auf. Am Schluss wird der „Lappen“ eingeklebt.
In ländlichen Gebieten ist es wirklich schwierig, ohne fahrbaren Untersatz. Eine Senioren-Fahrgemeinschaft könnte helfen. Oder man verabredet sich und teilt sich ein Taxi in die nächste Stadt. Das setzt allerdings etwas Sinn für Gemeinschaft voraus. In einigen Gemeinden gibt es „Mitfahrbänke“. Wer hier sitzt, möchte mitgenommen werden.
Das alles sollte organisiert werden, bevor was passiert. Kleine Beulen am bisher auffällig gepflegten Wagen sind Hinweise auf Veränderungen. Alte und Jung sollten aufeinander Acht geben – dann klappt es auch mit dem „Führerscheinentzug“.
Tipps rund ums Thema im Netz:
Bewegung / Älter werden in Balance
https://www.aelter-werden-in-balance.de/start/
Deutscher Verkehrssicherheitsrat / Selbsttest für Autofahrer
https://www.dvr.de
ADAC / Fahr-Fitness-Check
https://www.adac.de
Deutsche Seniorenliga / Ältere Autofahrer – Probleme offen ansprechen
https://deutsche-seniorenliga.de
Bußgeldkatalog / Den Führerschein im Alter abgeben: Altersdiskriminierung vs. Verkehrssicherheit
https://www.bussgeldkatalog.org